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Wilhelm von der Emde gestorben

Am 19. Februar 2020 ist Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Wilhelm von der Emde, früher TU Wien, im Alter von 97 Jahren gestorben. Der in Kassel geborene von der Emde war wesentlich an der Entwicklung des Belebungsverfahrens zur biologischen Abwasserreinigung beteiligt. Ein weiteres Feld seiner vielfältigen Tätigkeiten umfasste auch die Ausbildung von Betriebspersonal abwassertechnischer Anlagen. Er initiierte den Aufbau entsprechender Schulungsnetzwerke und wirkte an deren Organisation in leitender Position mit. Seine Arbeit lieferte zentrale Grundlagen zum Gewässerschutz und zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Gewässergüte. Wilhelm von der Emde absolvierte, unterbrochen durch den Kriegsdienst, von 1940 bis 1948 ein Studium an der TH Hannover in der Fachrichtung Bauingenieurwesen. Von 1949 bis Ende 1952 war er Mitarbeiter im Ingenieurbüro von Dietrich Kehr, von 1953 bis 1958 Assistent und Oberingenieur am Institut für Siedlungswasserwirtschaft der TH in Hannover, dessen Leitung Dietrich Kehr übernommen hatte. Hier wurde Wilhelm von der Emde am 10. Juli 1957 promoviert. In seiner Dissertation fasste er den damaligen Stand der Methodik zur Bemessung von Abwasserreinigungsanlagen zusammen und beschrieb eine neue Vorgehensweise, die in leicht modifizierter Form bis heute verwendet wird, um den Sauerstoffverbrauch und die Überschussschlammproduktion von Belebungsanlagen zu berechnen. In den anschließenden Jahren (1958-1964) arbeitete er als Leiter der Abteilung Kläranlagen bei der Stadtentwässerung Hamburg. Überlappend (von 1960 bis 1964) war er als Lehrbeauftragter der TH Braunschweig tätig und hielt ab April 1961 auch Vorlesungen an der Technischen Hochschule Delft. 1964 folgte er dem Ruf an die Technische Hochschule Wien (heute: Technische Universität Wien). Dort gründete er das Institut für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (heute: Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement), das er vom 1. Oktober 1964 bis zu seiner Emeritierung am 1. Oktober 1987 leitete. Während seiner Tätigkeit bei der Hamburger Stadtentwässerung war er maßgeblich an der Planung des Klärwerkes Köhlbrandhöft, der ersten Großanlage mit Hochlastbiologie, beteiligt. In den späten 1960er-Jahren plante Wilhelm von der Emde gemeinsam mit Rolf Kayser (später Inhaber des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft an der TU Braunschweig) die Kläranlage Blumental in Wien, die 1969 in Betrieb ging. Diese Anlage fand große internationale Beachtung, da sie weltweit zu den ersten Großanlagen gehörte, die auf biologischem Weg nicht nur organische Verunreinigungen, sondern im selben Becken auch Stickstoffverbindungen weitgehend entfernen konnten. Auch wesentliche Teile des funktionellen Konzepts der späteren Hauptkläranlage Wien fußen auf den Arbeiten von Wilhelm von der Emde. Von der Emde erkannte sehr früh, dass die Ziele des Gewässerschutzes nur erreicht werden können, wenn eine Verschmutzung durch Industrieabwässer weitgehend vermieden wird. Das Institut befasste sich daher unter seiner Leitung intensiv mit der Reinigung und Entsorgung der Abwässer aus Leder-, Zellstoff- und Zucker-Produktion und der chemischen Industrie. Dabei wurden vielfach neue Verfahren der Abwasserreinigung vom Laborversuch bis zum Betrieb der großtechnischen Anlagen entwickelt. Wilhelm von der Emde war Mitbegründer und Vorstandsmitglied der International Water Association (IWA) und in vielen Gremien und Ausschüssen dieser Organisation in führender Position tätig. Auch bei der DWA war Wilhelm von der Emde vielfältig engagiert. Dort leitete er unter anderem den damaligen ATV-Fachausschuss 2.6 „Aerobe biologische Abwasserreinigungsverfahren”. Dieses Gremium erarbeitete unter seiner maßgeblichen Mitwirkung das Arbeitsblatt ATV-A 131 (1991), in dem die technischen Regeln zur Wahl der zweckmäßigsten Verfahren zur Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorelimination in Abwasserreinigungsanlagen und zur Bemessung der wesentlichen Anlagenteile und -einrichtungen zusammengestellt sind. Auf Grundlage dieses Regelwerkes wurden und werden international Kläranlagen ab einer Größe von 5000 Einwohnerwerten bemessen, geplant und gebaut. Beim Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) war Wilhelm von der Emde führend am Aufbau des heutigen Ausbildungsprogrammes für das Fachpersonal im Bereich Abwasserwirtschaft beteiligt. An Auszeichnungen und Ehrungen sind Wilhelm von der Emde zuteilgeworden: 1956 der Karl-Imhoff-Preis der ATV (heute DWA), 1961 die George Bradley Gascoigne-Medaille der Water Pollution Control Federation (WPCF), USA, 1981 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 1987 die William-Dunbar-Medaille der European Water Association (EWA), 1992 der Preis der Stadt Wien für Naturwissenschaften und 1992 die Max-Prüß-Medaille der DWA.

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